Die Bürgerinnen und Bürger wollen selten wissen, warum etwas funktioniert. Sie erwarten einfach, dass es funktioniert. Das ist so bei elektrischer Energie, aber auch bei der Verlegung eines neuen Glasfasernetzes. Wenn nun aber einzelne Adressen „vergessen“ werden und damit nicht an das neue Netz angeschlossen sind, können die Proteste durchaus lautstark werden. Das Problem ist nicht neu, trat aber beim Glasfaserausbau im Rahmen der „Weiße-Flecken“-Förderung nur punktuell auf. Denn unterhalb der Aufgreifschwelle von 30 Mbit/s war das Ergebnis der Markterkundungen meistens eine Anhäufung von Adressen, die alle unterversorgt waren, und deshalb flächig an das neue Netz angeschlossen werden konnten. Solche „Adress-Wolken“ sind bei der „Graue-Flecken“-Förderungen mit ihrer Aufgreifschwelle von 100 Mbit/s seltener geworden. Es können vielmehr quer über die jeweilige Gemarkung hinweg einzelne „Graue-Flecken“-Adressen auftauchen, die alle separat betrachtet werden müssen.
„Vergessene Adressen“ möglichst früh aufspüren
Im Verlauf eines Fördermittelverfahrens nehmen die Risiken über die Zeitachse hinweg deutlich zu. Dies gilt auch für die Eingreifmöglichkeiten: Im ersten Schritt, etwa bei der Fördermittelberatung durch einen externen Berater, sind die anzuschließenden Adressen zunächst noch ein nachgelagertes Thema. Erst im Rahmen der Markterkundung wird das Projekt über eine entsprechende Seite des jeweiligen Projektträgers öffentlich gemacht und anschließend der Markt „befragt“. Dann werden auch die Telekommunikationsunternehmen über das Markterkundungsverfahren informiert und melden zurück, welche Adressen im betroffenen Gebiet von ihnen versorgt werden – und vor allem mit welchen möglichen Datenraten. Die Meldungen der Anbieter über versorgte und nicht versorgte Adressen werden dann mit den amtlichen Liegenschaftskatasterdaten abgeglichen. Das Ergebnis ist die eine Adressliste der unterversorgten Adressen, die die erste Basis für die weiteren Schritte des formalen Förderverfahrens liefert. Auch an dieser Stelle ist es noch völlig unproblematisch, wenn einzelne Adressen, die aus irgendeinem Grunde übersehen wurden, ergänzt werden. Selbst wenn der vorläufige Förderbescheid ergangen ist, ist es möglich, weitere Adressen hinzuzufügen, damit sie in der Planung und Kostenkalkulation berücksichtigt werden können.
Problematischer wird dies im Rahmen des anschließenden Ausschreibungsverfahrens. Die meisten Ausschreibungen in Deutschland werden im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens durchgeführt. Dies umfasst zunächst den EU-weiten Teilnahmewettbewerb, mit dem der Kreis der Bewerber auf eine kleine Anzahl reduziert werden soll, um das weitere Verfahren einfacher gestalten zu können. Wenn man zu diesem Zeitpunkt vergessene Adressen nachtragen möchte, verändert dies die Ausschreibungsbedingungen und man muss sich genau überlegen, ob und wie diese Adressen noch aufgenommen werden können. Ist der Auftrag dann erteilt – und sei es auch vorläufig ¬- wird die Lage noch schwieriger. Denn dann greifen die vergaberechtlichen Folgen. So ist es rechtliche Praxis, dass eine Nichteinhaltung des Vergaberechts festgestellt wird, sobald die ausgeschriebene Gesamtsumme um mehr als 10 Prozent überschritten wird. Hier greift die „rechtliche Fiktion“ dass sich viel mehr Unternehmen am Verfahren beteiligt hätten, wäre die höhere Summe als Basis herangezogen worden.
Der „Worst Case“ tritt schließlich ein, wenn während der Bauphase „vergessene Adressen“ entdeckt werden. Denn zum einen werden zu diesem Zeitpunkt bereits die Kosten je nach Baufortschritt und auf Basis der Planung abgerechnet, von der man auch nicht mehr einfach abweichen kann. Zum anderen ist der Eigentümer einer Liegenschaft, die nicht berücksichtigt wurde und damit auch nach dem Ende der Baumaßnahmen nicht an das Netz angeschlossen ist, in der Regel wenig begeistert und tut das auch gerne öffentlich kund. Deswegen ist es unbedingt nötig, alle vergessenen Adressen bereits zum Planungsbeginn erfasst zu haben – also mehrere Monate vor dem Baustart.
Ursachen für vergessene Adressen
Ein immer wieder auftretendes Problem sind eingescannte Karten, die als Planungsgrundlage für ein Glasfasernetzes herangezogen werden und oftmals die Basis für hochkomplexe Datenbanken der Netzbetreiber sind. Beim Einscannen kommt es oft zu einem „Blattkantenversatz“: Papierbasierte Pläne werden nebeneinandergelegt, verrutschen etwas, so dass sich die Blätter überlappen. Und schon ist ein tatsächlich existierendes Gebäude einfach verschwunden -und in der Datenbank falsch zugeordnet. Auch wenn die alten Pläne vor dem Scan falsch gelagert wurden und durch eindringende Feuchtigkeit wellig geworden sind, kann dies ähnliche Folgen haben.
Aber auch die digital vorliegenden Daten, wie etwa die des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS, können durchaus fehlerhaft sein. Die Ursache für diese unvollständigen Adressdaten liegt in unserem föderalen System. Denn die erste Erfassung erfolgt immer auf der untersten, also der kommunalen Ebene. Meist werden diese Daten dann an das eigene oder an das Kreiskatasteramt übermittelt und gehen danach von dort an das jeweilige Landesvermessungsamt. Die Landesvermessungsämter schließlich spielen diese Daten an das Bundesamt für Geodäsie weiter. Hier werden sie nochmals zusammengefasst und am Ende im Rahmen des Markterkundungsverfahren den Projektträgern zur Verfügung gestellt. Natürlich gibt es immer auch einen zeitlichen Versatz, wenn Daten über so viele Stationen übermittelt und verarbeitet werden. Und dieser zeitliche Versatz kann durchaus mehrere Jahre umfassen. Das führt nicht selten dazu, dass den Projektträgern nicht der aktuelle Stand als Planungsbasis zur Verfügung steht.
Eine weitere Ursache für vergessene Adressen ist das Problem der Nebengebäude. Zwar ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Gebäude (z.B. Wohnhaus) mit einer von der Gemeinde festgelegten Hausnummer zu versehen ist. Aber eben oftmals nur eines auf dem Grundstück. Dort befindliche Nebengebäude wie etwa eine Scheune haben in der Regel keine eigene Adresse. Dies gilt insbesondere für Hofanlagen: Hier werden im Laufe der Jahre oft neue Gebäude errichtet oder andere umgebaut – etwa für die Nutzung als Büro. So kann es passieren, dass einzelne dieser Gebäude keine Hausnummer bekommen, obwohl der Neu- oder Umbau behördlich genehmigt wurde. Manche Gebäude haben aber auch gar keine Adresse, sondern nur einen Namen. Dies ist beispielsweise oftmals bei sogenannten Aussiedlerhöfen der Fall.
Schließlich entstehen „vergessene Adressen“ häufig auch durch einfache Datenbankfehler. Das ist in der Regel bei Adressen mit der Hausnummer „0“ oder „999“ der Fall. Selbst Google-Maps hilft an dieser Stelle nicht. Denn Hausnummern, die Google nicht kennt, werden stets mittig im Straßenverlauf dargestellt, also mit ziemlicher Sicherheit nicht dort, wo sie tatsächlich ist. Manchmal sind es aber auch nur einfach Formatierungsfehler, etwa wenn Geo-Koordinaten angegeben werden. Das kann dazu führen, dass ein Gebäude plötzlich dutzende Meter vom eigentlichen Standort verortet wird. Aber auch die übermittelten Verfügbarkeiten stimmen nicht immer, etwa wenn sie nicht auf Basis von Messwerten bestimmt, sondern über Algorithmen berechnet wurden.
Ein ganz anderes Problem entsteht, wenn in einer Straße von den Telekommunikationsunternehmen unterschiedliche Datenübertragungsraten gemeldet werden, die aber nicht tatsächlich zur Verfügung stehen: Regelmäßig erhalten wir Adressen in Rückmeldungen aus der Markterkundung, die als nicht unterversorgt gemeldet worden sind. Stichprobenartige Überprüfungen ergeben dann wiederum ebenso regelmäßig, dass hier keine Produkte mit Bandbreiten beim Anbieter buchbar sind, die oberhalb der Aufgreifschwelle von 100Mbit/s liegen. Auch ergeben vereinzelte Meldungen engagierter, technikaffiner Bürger, dass die Bandbreite erheblich schlechter ist, als seitens des Anbieters angegeben wurde. Fehlen diese Meldungen, so kommt es auch hier wieder zu „vergessenen Adressen“.
Digitale Lösungen für korrekte Daten
Natürlich wäre eine manuelle Überprüfung aller als nicht unterversorgt gekennzeichneten Gebäude eine sichere Methode, „vergessene Adressen“ zu identifizieren. Dies scheitert aber in der Regel daran, dass der Aufwand dafür viel zu groß wäre: Selbst bei einer kleinen Kommune mit rund 3.000 Gebäuden wären dafür mehr als 30 Arbeitstage nötig. Und dies auch nur, wenn pro Abfrage nicht mehr als fünf Minuten gebraucht würden. Deswegen kommen für eine Prüfung nur digitale Werkzeuge infrage.
Basis dafür ist in der Regel ein eigenes Internetportal für das Breitbandprojekt, über die Adressen aktiv abgefragt werden. Unabdingbar für den Erfolg ist es dabei, dass diese Website aktiv beworben wird – über alle zur Verfügung stehenden Kanäle wie etwa die lokale Presse, die Amtsblätter oder Social Media. Mit Unterstützung der tktVivax-Tochter Vivax Solution konnten wir dieses Verfahren in unterschiedlichen Projekten implementieren. In einem solchen Portal können die Anfragen der Bürgerinnen und Bürger automatisiert mit der für das Förderverfahren eingereichten Adressliste abgeglichen wird. Die Anfragenden sehen dabei sofort, ob und wann ihr Gebäude für den Anschluss vorgesehen ist, ob dies im geförderten oder auch im eigenwirtschaftlichen Ausbau erfolgen wird.
Aber es wird eben auch angezeigt, wenn ein Gebäude nicht für den Ausbau vorgesehen ist und droht, zu einer „vergessenen Adresse“ zu werden. Etwa weil ein Telekommunikationsanbieter angegeben hat, dass ein Kabelanschluss mit einer Übertragungsrate von 1 Gbit/s vorhanden und damit keine Unterversorgung gegeben ist. Sind hier jedoch keine entsprechenden Produkte buchbar oder ist gar der Anschluss gar nicht vorhanden, so kann der Eigentümer den Eintrag anzweifeln und so aktiv verhindern, dass er zu einer „vergessenen Adresse“ wird. Hier lohnt dann übrigens auch die manuelle Überprüfung der umgebenden Liegenschaften, die mutmaßlich ebenfalls betroffen sein könnten. Das gilt auch für den Fall, dass die tatsächlichen Übertragungsraten nicht den vertraglich zugesicherten entsprechen und möglicherweise unter der jeweils geförderten Angreifschwelle liegen. Ein solches Portal bietet auch die Möglichkeit, die Kommunikation mit der Bürgerschaft digital abzubilden, z.B. über Newsletter. Dies spart der für den Breitbandausbau zuständigen Person eine Menge Zeit, da sich die Anzahl der Bürgeranfragen per Telefon oder individueller E-Mails drastisch reduzieren lässt und somit mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben vorhanden ist.
Da in jedem Falle der Anlieger selbst aktiv werden muss, ist es notwendig, im Rahmen des Portals auch genau darzustellen, wie man etwa die bestehenden Übertragungsraten sicher nachweisen kann. Aber vor allem auch, welche Schritte man unternehmen muss, um den eigenen Ausschluss vom Anschluss „anzuzweifeln“, wie es im Fachjargon heißt. Dass dies durchaus Erfolge bringen kann, zeigt ein Praxisfall in Hamm: Dort konnten durch derartige Maßnahmen, die auch durch Berichterstattung in der Presse begleitet wurde, rund 160 Adressen nachträglich in das Förderverfahren aufgenommen werden. Das hat sich dann auch deutlich positiv auf die endgültige Fördersumme ausgewirkt.
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- Date 21 Mar 2022
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